Eva Kotátková They Are Coming 26.04.-08.06.2013 Die Konfiguration des menschlichen Körpers sowie äußere Einflüsse auf diesen durch Institutionen und soziale Strukturen, sind ein wiederkehrendes Sujet in den Arbeiten von Eva Kotátková. Die Künstlerin untersucht Ansätze der inneren und äußeren Ausformung des Körperlichen und das, was wir als dem Körper zugehörig empfinden – dessen Begrenzung und Externalisierung, dann wieder die Unvollständigkeit, ja den Bruch zwischen Innen und Außen mit der Frage: was lässt uns menschlich sein und fühlen? Welche Gefüge und Systeme halten uns davon ab? Und was bewegt uns zu sein, wer wir – ohne fiktive oder konkrete Einschränkungen – sind? Die Möglichkeit zum Ausdruck des Selbst ist ein Aspekt, der auf Kotátkovás künstlerische Überlegungen Antwort gibt. In den Medien Zeichnung, Fotografie, Collage, Objekt, Installation und Performance (live actions) untersucht die Künstlerin exemplarische Situationen mentaler und physischer Restriktion, oftmals dem Systematischen folgend, sowie – im Gegenzug hierzu – Fähigkeiten der individuellen Artikulation. Das organische Selbstverständnis des Körperlichen wird in ihren Arbeiten ebenso zum Gegenstand, wie die Verbildlichung des Körpers als Prothese, als Fragment. Eva Kotátková bettet dabei ihren Blick in ein Gefüge ein, das auf dem Hervorheben von Konturen als Synonym der Ein-und Ausgrenzung besteht: als Geste von Öffnung und Verschluss, als Markierung zwischen Innen und Außen, als Beschreibung zwischen Figur und Raum. Eva Kotátková fokussiert in ihren Arbeiten alternative Methoden der Kommunikation, die sich non-verbal durch den Ausdruck von Bewegung, Ton, Pantomime und Zeichensprache herausformt. In ihrer aktuellen Ausstellung “They Are Coming” bei Meyer Riegger Berlin (der Titel ist in Anlehnung an die gleichnamige Schrift von F.T. Marinetti aus dem Jahr 1915 zu sehen, in der Objekte als Hauptakteure einer Performance erscheinen), hat die Künstlerin das Schaufenster der Galerie mit einem schwarzen Vorhang bedeckt, der an manchen Stellen des Stoffes Einschnitte aufweist, durch die hindurch einzelne Körperteile geführt werden können. Sichtbar werden beim Betrachten des Schaufensters von außen, das so als Bühne wirkt, ausschließlich vereinzelte Körperteile der Akteure, die sich gestisch assoziativ artikulieren und nahezu intuitiv miteinander in Kommunikation treten. Kotátkovás Installation hebt die Hierarchie zwischen Objekt, Darstellung und Individuum auf, indem sie Möglichkeiten erzeugt, entgegen äußerer Begrenzung einen freien Ausdruck zu entwickeln, der nicht auf Vorlagen basiert, sondern aus der reinen Geste des Handelnden hervorgeht. Die Künstlerin erzeugt so im Ausstellungsraum ein Environment, das gleichsam als Bühne und Ort des stillen Beobachtens, ja als Raum der Vorstellung (im Sinne der Imagination) besteht. Die Ausstellung knüpft an Kotátkovás Werkzyklus Theatre of Speaking Objects an, der auf dem Gedanken des Rollenspiels basiert. In ihrer neuen Installation bei Meyer Riegger nehmen die auf einer schachbrettartigen Fläche im vorderen Raum platzierten Objekte die Funktion einer stummen Datenbank von Requisiten ein. Die schwarzen, mit weißen Linien markierten Silhouetten erscheinen hierbei als Komponenten für eine noch ausstehende Handlung oder Aktion, die Kotátková in einer daran anschließenden Videoarbeit aufgreift. Sie zeigt Zeichnungen im Raum angeordneter Objekte und scherenschnittartiger Formen, die in einer Interaktion mit Menschen zusammen geführt werden. Das Filmbild ist aufgenommen in klassischer “Black Theatre”-Technik, bei der die Performer durch das Verdecken ihrer Körper mit einem schwarzen Mantel nur in Auszügen, also nur Teile ihres Körpers sichtbar werden. Die Narration des Filmes berichtet vom Seelenleben der dargestellten Charaktere (psychatrische Patienten), von Isolation, Abhängigkeit oder der unterbundenen Fähigkeit, (frei) zu kommunizieren. Dem setzt die Künstlerin die Installation einer Treppe entgegen, die während der Ausstellung als Bühne für Performer dient. Durch ein wiederkehrendes Besteigen und Herunterfallen, wie auch durch die Mimesis der Treppenstufen durch die Akteure, wird die Treppe als Objekt aktiviert und in Bezug zum menschlichen Körper sowie steter Wiederholung seiner (schematischen) Handlungen gesetzt. Die Betrachtung des Menschen als Prothese, oder aber als Figuration seiner selbst wird schließlich auch zum Bildgegenstand in den daran angegliederten Zeichnungen und Fotocollagen der Künstlerin. Das Systematische findet in Kotátkovás Arbeiten Gestalt in der Wiederholung, dem Seriellen, doch auch in der Abwandlung dessen. Kotátková zieht hierbei das Medium Fotografie heran, das sie durch das Verwenden in Ausschnitten sowie durch das Hinzufügen von Zeichnungen zu Collagen erweitert und als Outline physischer und mentaler menschlicher Organisation skizziert. Ausformulierungen des Körpers werden darin durch Linien markiert, angedeutet, begrenzt oder geöffnet. Zu sehen ist an einer Stelle ein Akrobat, der sich anhand oder aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Formen und Gegenstände um diese, als auch um sich selbst windet, und zum Sinnbild in Eva Kotátkovás Fragestellungen zur Vorstellung und Ausformulierung des Selbst wird – stets dem Gedanken nachgehend: nicht wie handeln wir, sondern durch was sind wir bewegt oder bestimmt in dem, was wir tun?

Christina Irrgang