(De) Der Titel der jüngsten Einzelausstellung von Daniel Roth Sprechen, Stille markiert in gewissem Sinne die beiden Pole, zwischen denen sich seine Installationen in der Galerie Meyer Riegger ansiedeln. An fünf farbig getünchten Wänden finden sich rätselhafte Objekte wie Chiffren zu Konstellationen zusammen, während andere im Galerieraum zu einer Szene arrangiert wurden, in der sich ein dunkles Ereignis verdichtet. Manche dieser Gegenstände kommen den BesucherInnen zeichenhaft entgegen: etwa eine …
(De) Der Titel der jüngsten Einzelausstellung von Daniel Roth Sprechen, Stille markiert in gewissem Sinne die beiden Pole, zwischen denen sich seine Installationen in der Galerie Meyer Riegger ansiedeln. An fünf farbig getünchten Wänden finden sich rätselhafte Objekte wie Chiffren zu Konstellationen zusammen, während andere im Galerieraum zu einer Szene arrangiert wurden, in der sich ein dunkles Ereignis verdichtet. Manche dieser Gegenstände kommen den BesucherInnen zeichenhaft entgegen: etwa eine mumifizierte Eule (Altar), ein leuchtend roter Spazierstock (Wald) oder ein Stapel Zeichenpapier, auf dem ein Claude-Glas abgelegt wurde (Raum) – Hinweise auf Landschaftliches, sei es im Sinne ihrer Durchquerung oder im Sinne ihrer Bildwerdung. Hier herrscht ein stilles Sprechen der Dinge, die Fährten auslegen, welchen es mit Augenmaß und Spürsinn zu folgen gilt.
Die meisten Gegenstände jedoch verbergen mehr, als sie enthüllen: die erstarrten Falten eines in Beton gegossenen Stoffbeutels, dessen Innenleben versiegelt wurde (Wald, Wand 1); das besudelte Tuch auf einem Metallregal, welches einem obskuren Kult gedient haben mag (Wald, Wand 2); oder Sandsäcke, die ein in Plastikfolie gepacktes, unbestimmtes Wesen zerquetschen (Raum) – allesamt Indizien einer unzugänglichen Wirklichkeit, die lediglich in ihren Spuren in Erscheinung tritt. Was sichtbar wird, sind die hermetischen Relikte von Existenzen und Ereignissen, deren Realität entzogen bleibt. Es ist die murmelnde Stille von Dingen, die mit der Vergangenheit kommunizieren.
Wie so oft sind diese Installationen Daniel Roths Wegmarken einer Landschaft, die sich als Schwellenraum konstituiert. Zwischen Tag und Nacht, zwischen Wald und Altar geschehen lautlos Dinge, die Spuren hinterlassen. Sie verwirren die Kette der Arten und Elemente, um transitorische Zustände freizusetzen – Ununterscheidbarkeitszonen, die Animalisches und Mineralisches, Lebendiges und Totes, Selbes und Anderes miteinander verweben. Was Wildschwein war, wird zum borstigen Gesteinsbrocken (Raum), was als lederne Haut einen Körper umhüllte, spannt sich auf zur Weite schwereloser Flügel (Wald), und wo ein Fellkleid schmiegsamen Schutz bot, erhärtet es von Schluchten und Geröll durchzogen zum Erdreich, einer Miniaturlandschaft gleich (Nacht).
Zwei Orte ragen heraus aus dieser Topographie der Anzeichen und Wandlungen, reflektieren sie doch explizit die künstlerische Realisierung des Landschaftlichen in Werk Daniel Roths. Im hinteren Teil der Ausstellung sind es zwei Zeichnungen aus dem Jahr 1997, die mit zarter, scharfer Linie eine Stätte der Kunst entwerfen: Eingelassen in einen mächtigen Felsen ist hier der Sitz und Sessel eines Künstlers umrissen, der mithilfe von zeichenhaften Versatzstücken Landschaften konstruiert – ein Ort der Imagination aus der dunklen Tiefe der Natur heraus. Ein Seil führt von dort zum zweiten Sessel in dieser Ausstellung (Raum). Zwischen Nacht und Altar materialisiert er installativ die doppelte Ausrichtung der künstlerischen Hinwendung zur Natur: nach außen, zur präzisen Beobachtung der Erscheinungen, die sich im Claude-Glas, der Linse der Landschaftsmaler, spiegeln; und nach innen, zur unsichtbaren Wirklichkeit einer verschlossenen, von Mauern umgebenen Kammer, deren ominöses Innenleben es aufzuspüren gilt. Zwischen Sprechen und Stille markiert der Sessel mit seinen unbeschriebenen Papiern den Ort der enigmatischen Verknüpfung des Sichtbaren mit dem Verborgenen. Hier wohnt und arbeitet der Künstler.
Text: Caroline Meister