(De) Wer ist Richard Hamilton?
Dr. Schlau und Dr. Schlauer ist die erste gemeinsame Doppelausstellung der beiden Künstler Jonathan Monk und Meuser. Auf den ersten, eher visuellen Eindruck mag diese Konstellation ein wenig verwundern, bestimmt aber einen Kontrast erzeugen. Warum die beiden dennoch mit ähnlichem Rüstzeug und relativ zielsicher von an sich diametral entgegengesetzten Enden der künstlerischen Verwertungskette aufeinander zu steuern, vielleicht auch seit jeher um einander kreisen, soll der folgende Text ein wenig erläutern.
Gemeinsam ist beiden eine humorvolle, ambivalente aber in sich konzentrierte Form des kulturellen Recyclings. Sehen wir einerseits Meusers vormals ihrem Ende preisgegebenen und nun wiederbelebte Hinterlassenschaften der Industrie, welche ihre Erhöhung, oder vielmehr ihr kulturelles Upcycling dadurch erfahren, dass sie in einem Moment der poetischen Zerstreuung und nach einer Abgleichung des Objektes mit dem Kunstkanon zunächst auserwählt, umgewertet, bemalt und an die Wand gehängt werden, so neigen Monks Arbeiten vielmehr dazu, die Endprodukte vermeintlicher Hochkultur in direktem Verweis auf sie selbst (und uns) spiegelnd zu untergraben. Ein Downcycling hinein in ein sich unerwartet bildendes Spiegelkabinett aus irrwitzig und labyrinthisch ineinander verschränkten Anspielungen, Quer- und Sinnverweisen, an deren Ende, nach aller Abstraktion, Zergliederung und Verfeinerung der Fetischisierung, wider Erwarten erneut ein High-End Produkt entstehen kann, welches mit dem Ausgangspunkt oftmals eben nur noch über eine endlose Reihe an Sub-Ebenen verbunden ist. (siehe Text „The Life Sized black (a Porsche for RH)“)
Meuser bevorzugt hingegen die umgekehrte und ungleich direktere Variante, kommt Monk aber insofern entgegen, als dass er erstmal einen Schritt zurück geht und seinen Objekten die gerade erst erlangte Erhabenheit mit gesellschaftspolitischen, gerne aber auch profanen und kalauernden Bezügen konterkariert.
Monks intellektueller und spielerischer Dezentralisierung der Bezugspunkte eines begreifbaren Originals, oder einer schlichten Gewissheit hält Meuser Dinge weltlicheren Lebens entgegen. Etwa eine „Zahnbürste“, eine „Schlechte Einstiegsdroge“ oder träumt in Gegenwart einer halbwegs konstruktivistischen Arbeit einfach nur von einer Tasse Kakao.
Beide erscheinen gleichsam als umtriebige und überzeugende, aber liebenswürdige Trickdiebe, die aus ihren künstlerischen Volten keinerlei Hehl machen und uns somit das Scheitern einer gesicherten und endgültigen Wertigkeit bei der Betrachtung der Kunst und der Welt vor Augen führen.
„Da ist nichts“, sagt Meuser.
Wer hinter derart dynamischer Doppelbödigkeit zwar schlauen, aber irgendwie ironisch koketten Angsthasenfussball, Bescheidwisserei oder gar Nihilismus wittert, also die eigentliche Zuneigung der beiden zur Sache ein wenig übersieht, kann durchaus dazu neigen diese Ausstellung auch einfach als Gegenüberstellung von deutschem und britischem Humor im Rahmen der Kunst zu begreifen. Was sicherlich unterhaltsam, naturgemäß aber ein wenig waghalsig wäre. Sicherlich sitzt beiden ein Schalk im Nacken, doch sollte man dabei nicht außer Acht lassen, dass beider Blick stets messerscharf auf die kleinen und großen, alltäglichen und außergewöhnlichen Absurditäten, Errungenschaften und Zerwürfnisse der Gesellschaft und Kultur gerichtet ist. Das ist der Ort, an dem sich beide treffen. Beim dialektischen Wechselspiel des menschlichen und allzu menschlichen in dem es letztliche keine wesentlichen, oder gar absoluten Wertungen und Unterschiede mehr geben muss.
Wer daher nun Doktor Schlau oder Doktor Schlauer ist, bleibt selbstredend unklar. Wer dieser Richard Hamilton nun eigentlich ist, und wer hier demnach für was genau verantwortlich gemacht werden kann, ebenfalls.
Stefan Jeske
The Life-Sized Black (a Porsche for RH)
Vor einiger Zeit bereits erwarb ich durch Zufall ein kleines, von einem Richard Hamilton verfasstes Büchlein. Zu der Zeit wusste ich es zwar nicht, aber es sollte später zum Teil einer Serie von unbeabsichtigten Zufallskäufen werden.
Autor dieses 911-Handbuchs war ein gewisser Richard Hamilton, der aber nicht der gleichnamige englische Künstler war. Daraufhin fing ich an, die Schriften des an- deren Richard Hamilton zu recherchieren, und, wie es halt oft vorkommt, war dies eine Reise mit manchen Windungen und Wendungen, bis sie ruckartig vor der Web- site des Auktionshauses Bonhams zum Halt kam. Aufgelistet unter den Auktionsobjekten des Hauses war ein 1973er Porsche 911S 2.4-Liter Coupé, der früher Richard Hamilton gehört habe … aber welchem Richard Hamilton? – alles sehr rätselhaft und mysteriös …
Ich las weiter, und es stellte sich heraus, dass es sich um ein Auto handelte, das einst im Besitz des Künstlers RH gewesen war.
Er habe es nämlich für seine Fahrten ins Atelier und wieder nach Hause, für Spritztouren nach London sowie für Reisen zu seinem Sommerhaus in Spanien und zu seinen zahlreichen Galerien und Ausstellungen auf dem europäischen Festland benutzt.
Der äußerst sorgfältig gepflegte Wagen sei ausschließlich bei einem speziellen Porschehändler in nächster Umgebung gewartet worden. Für ein vierzigjähriges Auto sei es in bestem Zustand, der Verkaufspreis würde entsprechend bei € 541,526 inkl. Käuferprämie liegen. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob es als perfekter Porsche 911-Oldtimer verkauft wurde, oder als Wagen, der früher im Besitz eines der bedeutendsten Künstler Großbritanniens gewesen war … vermutlich werden wir es nie wissen.
Ich fasste den Entschluss, meine Reise fortzusetzen und quasi den Kreis zu schließen, indem ich Bilder des Wagens anfertigte –, wobei es mir wichtig war, lebensgroße Bilder zu schaffen … wie ein richtiger Wagen.
Das einzige Bild, das mir zur Verfügung stand, war aber nur über die Bonhams-Website zu beziehen. Beim Vergrößern, Ausmessen und Zuschneiden des Bildes entstand eine fast völlig abstrakte Version des Autos – jedes der zehn Fotos bestand aus 800 quadratischen Pixeln … Die auf Hochglanzpapier gedruckten Bilder wurden mit Rahmen aus poliertem Edelstahl versehen, um eine entschleunigte Version des Originals zu kreieren – eine klotzige, „blockige“ Fassung seiner wunderschönen Kurven.
Jonathan Monk
übersetzt von Richard Humphrey