(De) Meyer Riegger freut sich, Inside a Magnified Picture zu präsentieren, die erste Einzelausstellung der italienisch-deutschen Künstlerin Rosa Barba in der Galerie.
Rosa Barbas Arbeit basiert auf radikalem Experimentieren mit dem Medium Film, wodurch neue sprachliche Mittel angeregt werden. Ihre Werke sezieren nicht nur den Film selbst (Zelluloid, Licht, Farbe, Ton, Bild, Bewegung), sondern fragmentieren auch die Erzählung in unterschiedliche Schichten und deuten so einen Grad der Abstraktion an, bei der die Imagination und eine konzeptuelle Herangehensweise eine entscheidende Rolle spielen.
Die Ausstellung resultiert aus dem Wunsch, den Galerieraum zu leeren und in einen Maschinenraum zu verwandeln.
In dieser scheinbar leeren Hinterbühne stechen einige Elemente besonders hervor: ein Lichtstrahl und der Sound, der physische Raum der Galerie mit dem sich bewegenden Körper der Zuschauer und insbesondere das Fenster, auf das der Film projiziert wird, werden alle zu wichtigen Elementen für die Konstruktion und das Verständnis der Arbeit. Der projizierte Film ist nicht nur einfach ein Bild, sondern eines, das aus einem Ensemble von Elementen konstruiert ist.
Der Film wird auf das große Fenster projiziert und verwandelt nicht nur den gesamten Galerieraum in einen Projektionsraum, sondern die Galerie wird auch in eine neue Beziehung zu ihrer Außenseite gesetzt. Die Galeriewand wird zu einer Membrane zwischen innen und außen, privat und öffentlich, Ich und Welt. Diese Membrane, eine Oberfläche von Ereignissen, erinnert an die Kinoleinwand, aber auch an einen bestimmten Moment in der Geschichte der Malerei – die Erfindung der Perspektive – wo Leon Battista Albertis Traktat Della Pittura zufolge die Bildfläche so behandelt werden sollte, als wäre sie aus durchsichtigem Glas, durch die die optischen Strahlen hindurchgehen. Später nennt er die Bildfläche ein offenes Fenster.
Der Film, der auf diese Gebäudemembrane projiziert wird, ist Time as Perspective (2012). Zum ersten Mal in Deutschland zu sehen, zeigt dieser in der texanischen Wüste gedrehte Film eine kontinuierliche Szenerie von rhythmisch pumpenden Bohrtürmen, in der Barba die Idee von geologischer Zeit erkundet. Für die Künstlerin ist Zeit eher „eine geschichtete Platte, mit aufeinandergestapelten Epochen, als eine einzige sich dehnende Linie“. Die Ölpumpen befinden sich in einer unendlichen Kreisbewegung, was an den Loop des Films selbst denken läst – eine Art Doppel-Loop. Sie erinnern auch an Uhren oder Nähmaschinen. Diese mechanischen Instrumente verwandeln die Landschaft in ein Zeichenfeld und erinnern uns an Rosa Barbas eigene filmische Skulpturen, die sich in Zeichenmaschinen verwandeln.
Gleichzeitig spielt auch das Konzept der Zeitlosigkeit eine zentrale Rolle für diesen Film. Der Film lässt sich keinem klaren Datum zuordnen und man fragt sich, ob er eine Vision aus der Vergangenheit oder ein Ausblick in die Zukunft ist, was auch von der politischen Dimension des Films unterstrichen wird. Für Barba ist diese Vision von Zeit ein Instrument für ihre Art, sich mit dem Film als Film auseinanderzusetzen.
In dieser Arbeit liest man: „Zeit ist das Resultat einer unvollkommenen Wahrnehmung von Wirklichkeit.“ Dieses Spiel mit Wahrnehmung ist für Rosa Barbas Werk zentral; sie zeigt eine parallele und alternative Art des Betrachtens von Dingen auf, wo Grenzen nicht mehr definiert sind.
In den hinteren Ausstellungsräumen der Galerie wird außerdem die filmische Skulptur Enterprise of Notations (2013) gezeigt, in der mehrere Kugeln auf einer Schiene mit einem perforierten Film transportiert werden, der gleichzeitig projiziert wird. Das Verfahren verweist auf frühe Formen der Telekommunikation oder die Lochkarten der frühen Musiktranskripte.
In ihren Installationen führt Rosa Barba ihre Erkundungen des Films und dessen Fähigkeit, gleichzeitig ein Information transportierendes immaterielles Medium und ein physisches Material mit skulpturalen Eigenschaften zu sein, fort. Die Kategorie des Films wird über die tatsächlichen Komponenten des Zelluloidstreifens, des Projektors, den er durchläuft, und das auf die Leinwand projizierte Bild hinaus erweitert und abstrahiert. Jede Komponente wird zum Ausgangspunkt für Kunstwerke, die die Idee des Films einerseits erweitern und andererseits seine immanenten Eigenschaften ausloten.
Die Arbeit Conductor (2014), ebenfalls im Ausstellungsraum zu sehen, ist ein kugelförmiges Silikonobjekt, eine weitere Membrane, die in Intervallen Klang wiedergibt, indem sie ihre Form verändert. Diese Arbeit ist ein enigmatischer Gefährte ihrer großformatigen Wasserinstallation La Fosse d’Orchestre (2013).
Ihre neueste Arbeit, Isolation of Information (2015), ist eine große Walze aus einem kompletten Satz von typographischen Buchstaben, die Rosa Barba von einer Druckerei übernommen hat, wo sie 40 Jahre zum Drucken italienischer Literatur verwendet wurden. Sie sind jetzt in einen schweren Wachsblock gegossen. Diese Arbeit ist eine Weiterführung des Prozesses, der mit Recorded Expansions of Infinite Things (2012) begonnen hatte, eine Arbeit, die erstmals 2012 im Jeu de Paume in Paris gezeigt wurde. Isolation of Information (2015) ist eine aufgerollte Sprachlandschaft die die Aufzeichnung tausender von metallenen Druckblöcken enthält, jeder davon ein individueller Buchstabe oder Satzzeichen. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Größe, nehmen unterschiedlich viel Platz ein und scheinen in ihrer Anordnung eher einer visuellen als einer alphabetischen oder linguistischen Logik zu folgen. Die Schrifttype ist sehr speziell und deutet auf eine spezifische Periode des modernistischen Designs wie auch auf eine örtliche Zugehörigkeit oder gar eine Art von Wissen oder politischer Bedeutung hin.
Rosa Barbas neuer Film Bending to Earth (2015) wird auf der von Okwui Enwezor kuratierten Biennale von Venedig All the World’s Futures, die am 9. Mai beginnt, seine Premiere haben.
Filipa Oliveira
Übersetzung: Wilhelm Werthern