Die Frage nach der Verortung des Selbst – nach seiner räumlichen Zuordnung und seiner inneren wie äußeren Gestaltausprägung – ist eine wesentliche in der künstlerischen Arbeit von Heike Aumüller. Das von äußeren Strukturen verdeckte oder verfremdete Individuelle, das sich in ihren Fotografien und Filmen in einem prothesenhaften Umgang mit dem menschlichen Körper äußert, bildet oft einen Ausgangspunkt für die Künstlerin und Musikerin. Aumüller erweitert ihre filmisch-realen, doch surreal-inszenierten Bilder um Zeichnungen und Objekte, die sie im Ausstellungskontext in installativen Raumsituationen zusammen führt und damit um eine Komponente der direkten Selbstpositionierung zu Bild, Objekt und Raumgefüge ausdehnt. Wir freuen uns, ihre Arbeiten im Rahmen ihrer dritten Einzelausstellung in unseren Berliner Galerieräumen präsentieren zu dürfen.

Die Video-Projektion „Hee Haw“ zeigt zwei menschliche Körper – einen weiblichen und einen männlichen – , die je mit einer Pferdekopfmaske verhüllt sowie zum Teil mit Unterwäsche und Nylonanzügen bedeckt einen Raum betreten, in dem sie eine tanzartige Performance darbieten. Die eine Figur ahmt jeweils mimetisch die Bewegung der anderen nach, bis sich schließlich beide in einem gleichförmigen, synchronen Bewegungsverlauf annähern. Der im Zeitraffer präsentierte Film, dessen Bilder eine simulierte Beschleunigung der Handlung mit sich bringen, wird wesentlich von den Geräuschen der Handlungsabfolge – einer Schrittfolge der beiden Akteure – dominiert, die in ihrer Schnelligkeit eine stakkatohafte Rhythmik erzeugen. Vom Körper vermittelte Akustik wird hierbei zum Substitut für verbale Sprache, die zu Gunsten einer rein gestischen Narration entfällt.

Die eingefrorene Gestik des Körpers und der Stillstand der Szene ist hingegen in Heike Aumüllers Fotografien Gegenstand des Bildes: Der zum Teil bekleidete oder nackte Körper einer Frau scheint hier nahezu in das Interieur oder unmittelbar in dessen Mobiliar implantiert, wobei der Korpus des Menschen nie im Ganzen, sondern nur als Fragment zu sehen ist. Aumüller schreibt dabei das Körperhafte konkret in den Raum ein, und lässt die menschliche Form im Ausklammern ihrer Mimik zum reinen Objekt werden. In der Art der Positionierung der Körper in Bezug zu den Gegenständen im Raum hinterlassen Aumüllers Bildgefüge oft eine sexuelle Konnotation. Durch Requisite und Maskerade vermittelte Analogien zwischen Mensch und Tier führen den menschlichen Körper dabei oft als animalische oder groteske Hülle einer ihm übergeordneten, rein plastischen Idee aus.

Das aktive und passive Formen dieser Hülle wird auch zum Motiv in der Video-Installation „Bloody as Usual“: Während der eine von zwei auf Video-Monitoren präsentierte Film die stumme, beklemmende und suggestive Blickgegenüberstellung zweier mit Nylon verhüllter Gesichtszüge zeigt, präsentiert die andere Filmsequenz eine mit nacktem Oberkörper in und gegen die Film-Kamera boxende Frau, die in ihrer autofokussierten Handlung einen aktiven Eingriff an ihrem Körper vornimmt. Heike Aumüller führt hier im Freilegen wie im Verdecken des Physiognomischen die Distanz und die Divergenz zu einer Innerlichkeit aus, der die Protagonisten ihrer Bildkonzepte nachgehen, doch in einer Suche nach Form zugleich auflösen. Die subjektive Verortung eines Körpers sowie dessen Bestimmung als Selbst besteht in Heike Aumüllers Bildausformulierung so zunächst als Entfremdung – doch stets an der Schwelle hin zu einer Ahnung und einer Annäherung an Bekanntes, Erinnertes und Vorgestelltes.

Christina Irrgang