(De) Die Galerie Meyer Riegger freut sich, eine neue, facettenreiche Ausstellung mit Werken Miriam Cahns in ihren Berliner Räumen präsentieren zu dürfen. Im Erdgeschoss, das extra umgebaut und neu konfiguriert worden ist, um kleinere, intimere Ausstellungsflächen zu schaffen, werden die Werke der schweizerischen Künstlerin in der gedrängten Dichte gezeigt, die zu einem ihrer Kennzeichen geworden ist. In der Schau sind neue Gemälde, übermalte frühere Leinwände, ältere Werke sowie s/w Zeichnungen aus den 1980er Jahren zu sehen.
Unter dem markant kategorischen Titel „ZEIGE!“‘ – dem Imperativ des Verbs „zeigen“ in der 2. Person Singular – bringt die Ausstellung wiederkehrende Inhalte und Motive im Oeuvre der Künstlerin zusammen. Im Zeigen schwingt das exponierende Entblößen oder Bloßstellen eines Gegenstands, einer Materie oder einer Person mit. Gleichzeitig suggeriert es aber ein offenbarendes Entdecken oder Sichtbarmachen.
Mit ihrem Schaffen hat die bereits in frühen Jahren von der feministischen Bewegung beeinflusste Künstlerin immer wieder tradierte, etablierte gesellschaftliche Auffassungen und Positionen hinterfragt, wobei ihre Werke eine schweigende, eher träge und konformistische Öffentlichkeit herausfordernd aufrütteln.
Miriam Cahns Beobachtungsfeld umfasst die breite Außenwelt: die Welt des Tagesgeschehens und der Nachrichten, der sozio-ökonomischen Maßnahmen, der Debatten über aktuelle und „unbequeme“ Sachverhalte wie Migration und Einwanderung, aber auch Fragen der Empathiefähigkeit, der komplexen zwischenmenschlichen Beziehungen (vorwiegend, aber keineswegs immer, Frauen betreffend) sowie Gewalt, die Rassenproblematik, Gender, Diskriminierung und soziale Minderheiten.
Medium und Werkzeug der Künstlerin sind dabei die Bilder, die flutartig von der sich rasant ausbreitenden Konsumwelt sowie der Technologie (Internet) generiert werden. Wer eine Botschaft mittels eines Bildes veranschaulichen kann, erzielt die stärkste kommunikative Wirkung in der denkbar kürzesten Zeitspanne. Das Bild lebt ja von seiner starken Erinnerungskraft, seiner oft unmittelbaren Verständlichkeit sowie seiner leichten Einprägsamkeit.
Zu einem wichtigen Schlacht- und Konfliktfeld wird dabei der menschliche Körper, zumal der weibliche. Dem Feminismus ist es gelungen, körperbezogene Themen, Sexualität und Begierde dezidiert in den Fokus des politischen und theoretischen Diskurses zu rücken und sie als Orte der – reellen wie symbolischen – Unterwerfung zu bestimmen, also als Orte, in denen politische Subjektivität erzeugt wird und existentielle Fragen sich herauskristallisieren.
Mitten in der schier endlosen Bilderflut, die uns heutzutage mit zunehmender Intensität aus dem Web überschwemmt, ist Miriam Cahn zur Botschafterin des Draußen-Vor geworden: der Welt da draußen wie der AußenseiterInnen und Außenseiterpositionen. Ihre drastischen Gemälde und Zeichnungen, die stets den Menschen selbst und dessen Fragilität und Verwundbarkeit gegenüber seiner Umwelt fokussieren, weisen explizit auf Gemengelagen und Problemfelder unserer Gegenwart, die eher nicht wahrgenommen oder bewusst übersehen werden.
Bilder werden bisweilen missbraucht, um Konsens herzustellen, obwohl ihnen prinzipiell die Macht innewohnt, abweichende Meinungen und Bewegungen voranzubringen und ein kritisches Bewusstsein zu fördern. Der Schlüssel liegt in unserer Fähigkeit, die Informationsflut kritisch und differenziert zu sichten, wobei der einzige Weg, um zu einem aufgeklärten Bewusstsein zu gelangen, darin besteht, unentwegt weiter zu schauen.
Und hin und wieder eine Landschaft, Blumen, Tiere und Geschöpfe, um dem Geist eine kurze Ruhepause zu gönnen.
übersetzt von Richard Humphrey