Mit The Big Mirror möchten wir an die langjährige Zusammenarbeit mit dem grossartigen Künstler und persönlichen Freund Jan Mančuška anknüpfen. Dabei stellen wir in einer Reihe von offen gehaltenen Selbstportraits den 2011 verstorbenen Künstler ins Zentrum der Ausstellung. In unterschiedlichen teilweise noch nie gezeigten Arbeiten wollen wir nicht nur den Künstler, sondern auch den Menschen Jan Mančuška vorstellen. Dabei wird der Spiegel, der in verschiedenen Arbeiten auftaucht, zum Symbol unseres Blicks auf ihn. Wie in einer Biographie wird die Ausstellung zu einem Raum von Augenblicken und Unstetigem. Wort-und Satzfragmente beschreiben persönliche körperliche Wahrnehmungen des Künstlers während einer Aktion oder zeichnen einen sich in Bewegung befindlichen Körper nach: Quer durch den Ausstellungsraum gespannte dünne Stahlseile tragen aus Aluminium gefräste Worte wie HEAD EYE EAR WHITE SHIRT HAND FOOT, die fragmentarisch einen menschlichen Körper in Bewegung beschreiben. Die Momentaufnahmen der Bewegung werden zum dreidimensionalen, raumgreifenden Objekt. Die Schrift ersetzt das Bild, sie ist ein stellvertretendes Zeichensystem, dass erst durch den Betrachter „aktiviert“ zu sein scheint. Eine dreidimensionale Wortfolge entsteht, die ein kognitives Bild schafft.
Den Schriftzügen gegenüber ist ein in drei Teilen und über die gesamte Breite einer Wand laufender Spiegel installiert. The Big Mirror III, der Namensgeber der Ausstellung, bezieht den Betrachter ebenfalls in die Arbeit mit ein. Die scheinbar leerstehende Fläche des Spiegels wird mit Information gefüllt, denn je nach Standpunkt und Bewegung des Betrachters erscheint ein neues reflektiertes Bild. Der Ausstellungsraum ist nun Bildraum, der Betrachter ein Bildelement. Er ist auf sich selbst zurück geworfen und gleichzeitig doch hervorgehoben – er betrachtet und wird betrachtet. Jeder gespiegelte Schritt erscheint zudem als eine ephemere Momentaufnahme, die im nächsten Schritt schon wieder vorüber ist. Ein dauerhaft veränder-
liches Bild entsteht.

From Wall to Wall, eine Videoprojektion eines einzigen Schriftzuges, der sich durch in Metall gefrästen Wörter (ebenfalls auf ein Stahlseil gehängt) in den Ausstellungsraum fortsetzt, eröffnet folgenden Text:

I stand in a room with my back to the wall. I start moving and walk towards the wall opposite me. A thou-sand moments filled with the activities of my body the sweep of an arm or the shifting of a leg muscle as I walk escape my attention. My hands are in my pockets. My eyes are fixed on the grey carpet. I notice that I cannot distinguish one step from the next. I feel a bit cold. I reduce the movement of my legs. With my forehead I just about touch the wall. I stand alone in the room.

Der Text beschreibt die körperliche und seelische Wahrnehmung einer Person, die einen Raum durch-
wandert. Die Installation verbindet einen Raum mit dem Folgenden und gibt durch den Text eine Lese- und Laufrichtung vor. Dieser Text manifestiert somit die durchgeführte Aktion als dreidimensionales Objekt. Das geschriebene Wort erscheint ein weiteres Mal als Verbildlichung, in diesem Fall als Verbildlichung einer Aktion.
Eine Fotografie zeigt den Kopf Jan Mančuškas mit einem weißen Visier. Das Visier ist scheinbar schützend über die Augen des Künstlers gesetzt. Dabei ist es an verschiedenen Stellen durchfräst. Eine unbekannte Lichtquelle erhellt im chiaroscuro von der rechten oberen Bildecke das Bild. Der Blick des Künstlers ist dem Licht entgegen gelenkt. Das Visier wird direkt angeleuchtet und wirft Lichtspuren durch die beschriebenen Aussparungen auf das Gesicht Mančuškas. Es werden die Wörter no, nowhere, nobody, nor, never, not, neither, none, nothing sichtbar und hervorgehoben.
From A to B: eine Filmkamera, aufgestellt auf einem Stativ, ist in eine Parklandschaft positioniert. Ein klass-ischer Bildaufbau mit Wiesenfläche, Horizontlinie und hinter Baumkronen liegendem Himmel ist zu erkennen. Hinter der Kamera steht Jan Mančuška. Im nächsten Moment verlässt er diese Position und läuft aus dem Bild. Daraufhin bewegt das Bild sich wippend vor und zurück, um sich im nächsten Moment Schritt für Schritt von der Kamera zu entfernen. Nun erst wird klar, dass das sichtbare Bild eine Spiegelung ist. Mit jedem weiteren Schritt eröffnet sich die Parklandschaft hinter dem Spiegel. Die zuvor erkannte mögliche Realität wird nun zur Spiegelung der Realität. Das gespiegelte Abbild wird zur Momentaufnahme, die mit jeder Bewegung gleich wieder vergangen ist. Ein immer wieder neues Bild entsteht. Die Kamera selbst ist dem Betrachter gleich zu setzen, ein Spiel mit dessen Wahrnehmung entsteht.

Maria Tanbourgi