Mit WALD HOCHWALD HOLZFÄLLEN präsentiert die Galerie Meyer Riegger die fünfte Einzelausstellung des Künstlers Armin Boehm – sie eröffnet im Rahmen des Gallery Weekends in den Berliner Galerieräumen. Die Dialektik der Zerrissenheit – ein Terminus, den Giorgio Agamben in seinem Buch „Der Mensch ohne Inhalt“ verwendet – äußert sich in Hinblick auf Armin Boehms Malerei zunächst in der Gegenüberstellung von Stadt- und Naturraum. Die Aufsicht auf städtische Ballungszentren, die von ländlicher Kargheit fast wurzelartig umwunden oder gesäumt werden, ist eine Form, die Boehm wählt, einer Entzweiung Gestalt zu geben. Boehm zeigt eine Verteilung, die ihrerseits aus Abgrenzungen besteht. In manchen seiner neuen Bilder öffnet sich die Aufsicht auf den architektonisch errichteten und den organisch gewachsenen Raum in einen Querschnitt, wobei der malerisch konstruierte Ort zugleich auch den Horizont erkennen lässt, oder, simultan das Erdreich und den Kosmos zeigt, ohne dass beides einer realen Abbildbarkeit entspräche. Dann wieder sind es in kubische Felder zergliederte, maskierte Menschen, die einander im städtischen Raum begegnen, doch in jeder Begegnung und Berührung einzig einem Spiel der Selbstauflösung zu folgen scheinen. Der Mensch als Symptom? Die Betrachtung wissenschaftlicher und menschlicher Grenzbereiche bildet einen Ausgangspunkt in Armin Boehms Malerei. Der Künstler geht in seiner Arbeit den Möglichkeiten des Bildes im Medium Malerei nach. Der Gedanke, inwiefern in einer eingangs beschriebenen dialektischen Zerrissenheit auch ein Widerstand zu erkennen, oder gar mit den Mitteln der Malerei wirksam zu machen ist, schließt hieran an. „Der ‚Widerstand der Kunst erscheint als Paradox mit doppeltem Gesicht“, schreibt Jacques Rancière, und definiert ihn als Spannung zwischen zwei Widerständen. Boehm verhandelt in seiner Malerei das Zweiseitige zwischen figurativer und symbolischer Darstellung, aber auch in der Diskrepanz seiner als Fragment erscheinenden Figuren, über das architektonische und gewachsene Körperhafte einerseits, und über Fläche, Form und Aufbruch dieser andererseits. Seine Formensprache – ganz unmittelbar gesehen eine Verteilung der Formen – knüpft dabei an das Vokabular der Moderne an. Der Künstler führt in seiner Bildentwicklung Motive aus, bei denen sich die Körperlichkeit des Dargestellten aus der Überlagerung von Form, Farbe und collagierten Elementen heraus bildet, wobei Boehm das Figurative im Bild noch im Prozess des Malens wieder zurück nimmt, auflöst oder abstrahiert. Form und Material sind zu gleichen Teilen Grundlage seiner Komposition. In Collagetechnik führt der Künstler so Elemente aus Stoff, Papier, Holz oder metallenen Substanzen zusammen, aus denen sich seine Bildkörper herausschälen und nahezu plastisch ausdifferenzieren. In seinen neuen Bildern wird dies vor allem in der Gegenüberstellung und Staffelung von farbigen Flächen aus (ausfransendem) Stoff, Papier oder Ölfarbe und der körnig-sandigen Struktur von Metallpartikeln und reinen Farbpigmenten deutlich. Boehms Malerei ist eine Verhandlung auf der Bildfläche, eine Konfiguration, die aus der Spannung zwischen Gemaltem und plastisch Hinzugefügtem entsteht. In einer perspektivisch durchbrochenen, fragmentierten Raum- und Figurendarstellung löst Armin Boehm so die Körperlichkeit des Dargestellten immer wieder synthetisch auf. Zugleich eröffnen aber verschobene oder ineinander mündende Flächen und Ebenen im Bild fiktive Raumsituationen, welche die Introspektion und die Aufsicht auf ein Geschehen vereinen. Der Künstler beschreibt in seinen Bildräumen spezifische Ereignisse, die aber in ihrer einhergehenden Unbestimmtheit zeitlos erscheinen. Einander ähnliche Szenen legen eine narrative Folge der Bilder nah, doch changieren sie stets zwischen dem Entstehen einer Situation, der Aufnahme von etwas Bestehendem und einer bloßen Ahnung. Bestehen und Verschwinden wird dabei in der physischen Präsenz der Bildoberfläche, wie auch immateriell im Sujet seiner Bildräume evident. Armin Boehms Malerei schließt das Zerrissene und Paradoxe ein, und erlaubt in dieser unaufgelösten Spannung eine Reflexion ihrer bildnerischen Möglichkeiten: über das Sichtbare, Sagbare und Denkbare im Bild.

Christina Irrgang